Cryptocorynen 2 – Blütenentwicklung bei Cryptocorynen
In „VDA-aktuell“ Heft 3/99 habe ich berichtet, wie ich Aquarienpflanzen emers kultiviere. Bei eben dieser Kultur kommt es dann öfter vor, dass die Pflanzen anfangen zu blühen. Über die Blütenentwicklung von Cryptocorynen möchte ich in diesem Beitrag berichten.
In vielen Berichten kann man lesen, dass sich Blütenstände durch Niederblätter ankündigen, aber das ist so nicht ganz richtig. Wir sehen zwar meist mit bloßem Auge zuerst das Niederblatt, aber richtig vollzieht sich die Entwicklung etwas anders.
An der Spitze des Vegetationskegels, der Sprossachse, entsteht bei Cryptocorynen unter günstigen Bedingungen ein Blütenstand, und damit endet dieser Muttertrieb. Damit die Pflanze weiter leben kann, entwickelt sich schnell ein Seitentrieb, und dieser beginnt mit einem kleineren Blättchen, dem sogenannten Vorblatt (das auch als Niederblatt bezeichnet wird), dem schnell große Blätter folgen. So sieht es aus, als wenn die Pflanze normal weiter wächst und nur zusätzlich Niederblätter bildet. Diese Niederblätter können in Form, Größe und Farbe sehr unterschiedlich aussehen und sind für uns vor der Blüte sichtbar, weil deren Entwicklung und damit das Wachstum wesentlich schneller abläuft als das Wachsen des Blütenstandes. Der Nebentrieb ist nach dem Absterben des Blütenstandes oder bei erfolgreicher Befruchtung und mit der Fruchtentwicklung dann der Muttertrieb. Der beschriebene Ablauf kann mehrmals kurz hintereinander folgen, so dass es dem Betrachter so vorkommt, als blühe der gleiche Mutterspross öfter in kurzer Folge. Es kann vorkommen, dass wir sogar eine Pflanze mit mehreren Früchten und Blütenständen gleichzeitig haben, weil mehrere Nebentriebe in kurzer Folge gebildet wurden. Aber auch die Umkehrung ist möglich, in dem wir Pflanzen mit mehreren Niederblättern haben, die nur einen oder sogar keinen Blütenstand haben. Das passiert, wenn die Vegetationsspitze abstirbt oder der Blütenstand bzw. Blütenstände während ihrer Entwicklung absterben. Von dem Blütenstand sehen wir zuerst nur eine kleine Spitze, die noch nicht so richtig als Blütenstand zu erkennen ist. Nur weil nirgendwo eine Stelle zu sehen ist, wo sich ein eventuelles Blatt aufrollen könnte, kann man auf eine Blütenentwicklung hoffen.
Später kann man dann schon den Kessel erkennen, der sich in der Farbe (heller) vom Rest des Blütenstandes abhebt und auch im Durchmesser schneller größer wird als der andere Blütenteil. Auch die Spathaspreite zeichnet sich dann bald ab. Nachdem die äußere Form nun vollständig zu erkennen ist, wächst der Blütenstand noch zu seiner vollen Größe heran, bis sich dann die Spreite öffnet.
Die Blütenentwicklung dauert je nach Art und Wuchsbedingungen etwa 30 bis 40 Tage, wobei der Blütenstand nur drei bis vier Tage geöffnet ist. Er besteht aus dem Blütenstiel, dem Kessel, der Röhre (Tubus) und der Spathaspreite, die bei grober Betrachtung den Blütenunterschied in Form und Farbe ausmacht. Sie wird noch einmal in den Schlund (Röhreneingang), der Schlundzone, dem Kragen (ist nicht immer vorhanden) und den Rest der eigentlichen Spreite unterteilt. In dem Kessel befinden sich die weiblichen Blüten mit den Narben, die Duftkörper, die männlichen Blüten (Staubblätter), ein steriler Teil, der die Blütengeschlechter voneinander trennt, einem weiteren sterilen Teil über den Staubblättern (Appendix oder angeschwollene Kolbenspitze genannt) und der Klappe, die ihn verschließt. Der Kessel hat bei manchen Arten eine teilweise wabenartige Kesselinnenwandstruktur, die an den dünnen Stellen durchscheinend ist (z. B. bei Cryptocoryne wendtii), was man als alveoläre Kesselwand bezeichnet. Eine genaue Erklärung für diese Erscheinung gibt es nicht, vielleicht dient diese Struktur zur Verstärkung der Kesselwand. Für die durchsichtigen Stellen gibt es wohl keine logische Erklärung. Der gesamte Kesselinhalt weicht bei den einzelnen Arten in Form, Größe und Farbe voneinander ab. So auch die Anzahl der Staubblätter und Narben.
Die Fruchtentwicklung dauert noch einmal 60 bis 90 Tage. So ist es möglich, dass die Blätter am Mutterspross schon abgestorben sind und es aussieht, als stünde der Fruchtstand neben der eigentlichen Pflanze.
Die Länge der Fruchtstiele ist bei den unterschiedlichen Arten auch sehr verschieden. Auch die Anzahl der Sämlinge in den Fruchtkammern schwankt von ein bis 15 Stück je Kammer.
Die beschriebene Blütenentwicklung und deren Nebentriebe haben nichts mit der Ausläuferbildung und der Vermehrung der Pflanze durch diese zu tun. Die Ausläufer bilden sich aus ruhenden Knospen am hinteren Rhizomteil der Pflanze.
Auf das Bestäuben der Cryptocorynen möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, was vielleicht einmal in einem anderen Artikel beschrieben wird. Ich hoffe trotzdem, dass ich mit diesem Bericht für mehr Klarheit für den einen oder anderen in den Vorgang der Blütenentwicklung bei Cryptocorynen gebracht habe.
Fotos und Text:
Reinhard Eichner/ Berlin